NACHGEFRAGT

IM GESPRÄCH MIT DER

Isabel Toccafondi ist freischaffende Ausstatterin. Im Next Liberty sorgte sie beispielsweise für die Ausstattung von  „Pippi Langstrumpf“ und entwarf u. a. die Bühne für „Das NEINhorn“. Passend zum Thema in August Schmölzers modernem Umweltmärchen „Tusnelda Nieselbrimm“, stellte sie als Kostümbildnerin – um die Geschichte der Retter:in der Meere sowie der singenden und tanzenden Meerestierchen des Skating Amadeus Chor zu akzentuieren – das Konzept der Nachhaltigkeit in den Vordergrund.

Den Vorsatz, alles auf Re- und Upcycling aufzubauen, empfandest du diesen eher als Einschränkung oder als Bereicherung?

Ich würde es als Bereicherung einordnen. Beim Erarbeiten eines Stückes, kristallisiert sich meist ein Thema, eine Methode oder ein Material für mich heraus, dass mir wie ein Leitfaden durch die Entwurfsphase und dann auch bei der Umsetzung zur Seite steht. Es entsteht so etwas wie eine visuelle Sprache. Meiner Erfahrung nach transportiert sich diese visuelle Sprache gut, wenn man seiner Idee treu bleibt, und diese konsequent durchzieht.

Als Kostümbildnerin (Ausstatterin) geht es mir darum, den Inhalt der Geschichte und die Regie möglichst gut zu unterstützen.

Bei dieser Produktion („Tusnelda Niesebrimm“; Anm. d. R.) war von Anfang an klar, dass ich nur mit Gebrauchtem oder mit Abfall arbeiten werde. Was für mich kein neuer Schuh ist, denn das Motto „use what you have“ hat mir immer schon am Herzen gelegen und Spaß im Findungs- und Umsetzungsprozess gemacht.

Wo überall hast du dich nach geeigneten Materialien umgeschaut, und was waren die reichhaltigsten Quellen?

Sobald ich wusste, dass ich bei dieser Produktion mitwirken kann, haben meine Augen die Umgebung schon ganz anders abgescannt und nach passenden Utensilien gesucht.

Es gibt zwei Rollentypen in diesem Stück: Menschen und Tiere. Und so hat sich dann auch die Anschaffung aufgeteilt. Die Kostüme für die menschlichen Figuren habe ich größten Teils im Theaterfundus entdeckt. Die für die Meerestiere sind aus Kleidungsstücken, die ich bei Carla, Humana und Willhaben gekauft habe, gefertigt, Einiges stammt aus meinem Bekanntenkreis. Fündig wurde ich auch in meinem eigenen Kleider- und Materialfundus, und sehr viel entstand aus Stoffresten, die bei anderen aktuellen Produktionen in der Kostümwerkstätte abgefallen sind.

An welchem Punkt musstest du dann doch auf „neue“ Waren oder Materialien zurückgreifen und warum?

Alle Meerestiere sollten von Knie bis Fuß blau sein. Was sich mit secondhand-shopping leider nicht bewerkstelligen ließ. Darum habe ich für alle neue blaue Strumpfhosen bestellt.

Könntest du dir eine Welt, in der ausschließlich Re- und Upcycling betrieben wird vorstellen, in der also nichts mehr Neues produziert werden würde?

Nein! Mit den Möglichkeiten von Verwertung, die wir heutzutage in einer klassischen Theaterwerkstätte haben, nicht. Um wiederzuverwerten, braucht es auch Neuwertiges, das in den Kreislauf einfließt. Sonst würde man sich selbst in absehbarer Zeit materialtechnisch totgearbeitet haben. Denn das Re – und Upcycling führt gezwungenermaßen auch zu einem Downcycling.

Für mich geht es ganz viel um die Wertschätzung der Materialien und der Arbeit, die in ein Werkstück einfließen.

Leider bekommen viele Jugendliche weder im heimischen noch im schulischen Umfeld die Basis an handwerklichem Wissen und Fertigkeiten, um Dinge reparieren oder sie einem neuen Zweck zuführen zu können.

Im Theater wird es immer wichtiger, mit Weitblick einzukaufen und zu produzieren.

Was würdest du als Kostümbildnerin und Künstlerin am meisten vermissen?

Den Luxus zu haben, das gewisse Etwas – das I-Tüpfelchen  – anfertigen oder kaufen zu können.

Obwohl ich der festen Überzeugung bin, dass gerade wir Künstler mit Einfallsreichtum gesegnet sind, um auch aus geglaubten Sackgassen einen Kreisverkehr zu machen.

Das Interview führte Produktionsdramaturgin Mag.a Tanja Peball