NACHGEFRAGT BEI PHILIPP LÖHLE

„IM ECHTEN LEBEN WIRD MAN FÜR ANTWORTEN IN DIE SCHULE GESCHICKT, IM THEATER IN EINE FANTASIEWELT.“

IM GESPRÄCH MIT DEM AUTOR

Lieber Philipp Löhle, das Stück „Frida und der NeinJa-Ritter“ ist die Geschichte einer abenteuerlichen Suche. Frida, die mit ihrem Zahn auch gleich einen Buchstaben verliert, stolpert von einer wunderbar fantastischen (Traum-)Welt in die nächste. Woher kam die Idee, Frida auf diese Reise zu schicken?
Ich bin ein großer Fan von Stationendramen und fantastischen Reisen. Von „Peterchens Mondfahrt“ bis zu den „Time Bandits“, finde ich das ein herrliches Genre, weil es so viel Fantasie zulässt. Man kann sich ja einfach seine Welten erfinden. Und die Tatsache, dass einem plötzlich in seinem Leben die Zähne aus dem Mund fallen und man zuweilen auch komisch spricht, fand ich auch nicht uninteressant. Ich habe mich allerdings geirrt, weil ich (auch an meinen eigenen Töchtern) festgestellt habe, dass es Kinder gar nicht schlimm finden, Zähne zu verlieren, sondern – ganz im Gegenteil – sogar stolz darauf sind. Es heißt ja dann auch immer von allen Seiten: Jetzt bist du schulreif.

Jede Szene zeigt eine abgeschlossene Welt, in der es unveränderbare Regeln gibt, die Protagonist:innen stecken alle auf unterschiedliche Weise fest. Was waren Ihre Überlegungen dabei?
Jede Welt ist der Versuch, etwas aus unserer Welt umzudrehen. Wie wäre es zum Beispiel, man hätte nicht nur einmal im Jahr Geburtstag, sondern jeden Tag. Würde das nicht dem Geburtstag, mit Geschenken und Kuchen und allem, die Besonderheit nehmen? Oder wie wäre es, wenn man den Horizont, den jeder sieht, und trotzdem ist er unerreichbar, wie wäre es, wenn man da tatsächlich hingehen könnte?

Wie ist die Figur des NeinJa-Ritters entstanden, welche Inspirationsquelle hatten Sie?
Na ja, so gesehen: Die Time Bandits kommen auch aus dem Kleiderschrank und Herr Sumsemann in „Peterchens Mondfahrt“ ist auch der ängstliche Held. Aber es gibt ja endlos solche Figuren: Karlsson vom Dach, Pumuckl, Pippi Langstrumpf, Harry Potter… Das sind immer Figuren, die irgendwas mit unserer Welt zu tun haben, diese aber irgendwie hinterfragen und auf den Kopf stellen. Der NeinJa-Ritter ist die Verkörperung des Umgedrehten. Statt ja – nein zu sagen und umgekehrt, stellt genau diese Grundregel auf den Kopf und ist doch auch ein bekanntes Kinderspiel, oder?

Wozu haben Sie zuletzt „Ja“ gesagt, obwohl sie eigentlich lieber „Nein“ gesagt hätten?
Zur Frage meiner Töchter: Kriege ich noch eine Süßigkeit?

Was hat Sie an dem Thema der „Wackelzahnpubertät“ interessiert bzw. warum haben Sie dieses Thema gewählt?
Ich glaube irgendeinen Sprung im Denken macht der Mensch, wenn er seine Zähne verliert. Die Gleichzeitigkeit mag ein Zufall sein, aber um den Dreh rum geht man ja wirklich auch zur Schule und der Lebensraum vergrößert sich. Das ist vielleicht eine Analogie zum Mund, der sich auch vergrößert, weshalb die Zähne zu klein werden und neue, größere wachsen, die man immerhin den Rest seines Lebens behält (wenn man es mit dem Zucker nicht übertreibt.) Mit all diesen Veränderungen kommen sicher auch immer mehr Fragen dazu, wie die Welt eigentlich funktioniert. Im echten Leben wird man für Antworten in die Schule geschickt, im Theater in eine Fantasiewelt.

Mit welcher „Wackelzahngeschichte“ sind Sie selbst aufgewachsen?
Also bei mir gab es jedenfalls keine Zahnfee. Das ist vielleicht eine neuere Erfindung. Ich kann mich aber noch sehr gut an das Gefühl erinnern, wenn der Zahn wackelt und man dann mit der Zunge dran rumspielen kann. Auch die Weichheit des Zahnfleischs, die in der entstandenen Lücke zunächst zu spüren ist, erinnere ich noch gut. Ich weiß auch, dass ich die Zähne alle gesammelt habe, aber ich besitze sie nicht mehr. Also was richtig Spannendes habe ich dazu anscheinend nicht zu erzählen.

Was an dem Stück mögen Sie selbst besonders gern?
Am meisten an dem Stück gefällt mir, wenn ein Theater es aufführt. Da bin ich dem Next Liberty auch wirklich dankbar und stolz darauf, dass sie meinen Text gewählt haben.

Zum Stück ist auch das gleichnamige Buch erschienen. Sind Buch und Stück parallel entwickelt worden? Was ist „aktueller“?
Als erstes ist das Stück entstanden. Ich habe schon ein paar Mal Weihnachts-märchen adaptiert, inszeniert und dafür werden ja gerne bekannte Kinderbuchklassiker verwendet. Ich hatte dann Lust, die Prämissen eines Weihnachtsmärchens in einem eigenen Text zu verfolgen. Denn eigentlich zeichnet diese Stücke ja „nur“ aus, dass sie über-bordende Fantasiewelten entstehen lassen, die auch mal ein Theater herausfordern, weshalb von Personal bis Technik groß aufgefahren wird. Wobei sich die Erwachsenen eigentlich genauso gerne von diesen Stücken begeistern lassen. Das Stück hat dann nicht gleich ein Theater gefunden und da ich schon Kontakte zu einem Kinderbuchverlag hatte, dachte ich, die Geschichte wäre doch eigentlich auch gut für ein Buch zu gebrauchen. Ich habe das vorgeschlagen und der Verlag mochte die Idee. Das Buch ist dann als erstes erschienen, aber das Stück ist vorher entstanden.

Sie schreiben ja hauptsächlich Stücke für Erwachsene. Worin liegt der Zauber oder die Kunst des Schreibens für ein junges Publikum? Worauf achten Sie da besonders?
Ich habe wirklich allergrößten Respekt vor dem Kinderstückeschreiben. Man fängt leider sehr schnell an irgendwie vereinfacht zu denken, weil es um Kinder geht. Dann hat man das Gefühl, ein Kinderstück müsse eine konkrete, eindeutige Aussage haben und es dürfe nicht zu kompliziert werden. Zum Beispiel nur ein Thema auf ein Mal. Das ist glaube ich alles falsch und ich habe beim Schreiben versucht, gar nicht an ein Kinderstück zu denken, sondern einfach an einen Theatertext. Denn alle Einschränkungen heißen ja nur: Man nimmt die Kinder nicht für voll. Die allergrößte von allen, Astrid Lindgren, ist doch deshalb so faszinierend, weil sie genau das hinkriegt: Für Kinder zu schreiben, aber sie gleichzeitig für voll zu nehmen.

Was haben Sie zuletzt vermisst und wiedergefunden?
Ach, ich verliere ständig Sachen und lasse dauernd alles überall liegen. Gestern habe ich meinen Fahrradhelm wo liegen lassen und muss jetzt gleich dort vorbeigehen. Ich hoffe, er ist noch da.

Das Interview führte Dramaturgin Tanja Peball anlässlich der UA im September 2024.